Sarajevo - Porträt des Judentums in Sarajevo

Die muslimischen Herrscher der Stadt Sarajevo zeichneten im Jahr 1556 die Anwesenheit einiger jüdischer Familien in der Stadt auf. Es handelte sich dabei etwa 10 bis 15 jüdische Familien. Sie lebten in einem der muslimischen Bezirke. Im Jahr 1572 zogen die jüdischen Bewohner in ein spezielles Gebäude, dass dem Andenken an Siavuš Paša gewidmet war.
Im Volksmund wurde das Gebäude Cifuthan genannt, von den jüdischen Bewohnern in Ladino Il Cortijo. Diese Bezeichnung ist auch ein erster Hinweis auf die Struktur und Herkunft der jüdischen Bevölkerung. Sie sprachen Ladino und waren sefardische Juden.
Das Gebäude befand sich an der Grenze zum muslimischen Bezirk, nahe dem zentralen Bazar, der Bašcaršija. Das Gebäude hatte eine Fläche von etwa 2000 Quadratmetern und um einen quadratischen Innenhof herum gebaut. Von diesem leitet sich wohl auch der Name Il Cortijo abgeleitet hat. Hier lebten etwa sechzig Familien in jeweils einem oder zwei Zimmern. An die Westmauer schloss sich eine große Synagoge an. Sie wurde Il Kal Grandi genannt.

Diese Synagoge wird heute wieder verwendet. Sie wurde zu den Hohen Feiertagen 2004 das erste Mal nach der Schoah wieder für Gottesdienste benutzt . 1581 erbaut, diente sie der sefardischen Gemeinde als Haus des Gebets, 1697 und 1788 wurde sie durch Feuer beschädigt und wieder aufgebaut.

Wie Dr. Behija Zlatar in senem Artikel "Dolazak Jevreja u Sarajevo" (Die Ankunft der Juden in Sarajevo) berichtet, war der Name des ersten Rabbiners von Sarajevo Samuel Baruh. Zlatar weißt ebenfalls darauf hin, dass die Zusammenfassung der jüdischen Bevölkerung in einem Gebäudekomplex kein Ghetto im westeuropäischen Kontext meint , sondern viel mehr ein Mahala, oder ein Viertel. Als Evlija Celebi die Stadt im Jahre 1660 besuchte, bemerkte er zwei solcher Viertel . Die jüdische Bevölkerung konnte sich frei durch die Stadt bewegen:

Einige gingen sogar soweit, dass Sarajevo unter osmanischer Herrschaft, mit seinem multikulturellem Ambiente, ein neues Toledo zu nennen, oder sogar Jerusalem.

Ein Wende für die nicht-sefardischen Juden kam erst mit der Besetzung Bosniens durch Österreich-Ungarn nach Bosnien, bzw. nach Sarajevo. Es kamen nun auch aschkenasische Juden in die Statd. Sie bildeten zu keiner Zeit die Mehrzahl der in der Stadt lebenden Juden. Sie gründeten erst am 25. September 1879 eine eigene aschkenasische Gemeinde. Sie wuchs zwar stetig an, erreichte aber nie die Größe der sefardischen Gemeinde. Die aschkenasische Synagoge wurde am 30. September 1903 eingeweiht. Sie wurde im (wie auch die Synagoge in Zagreb) im maurischen Stil errichtet.Das kastenförmige Äußere kontrastiert zu der geschwungenen Formen im Inneren des Betsaales und seinen orientalisch anmutenden Fenstern.

Seit 1945 sind die sefardische und die aschkenasische Gemeinde vereinigt. Heute (im Jahre 2005) hat die Gemeinde Sarajevo etwa 600 Mitglieder.

Die Gemeinde Sarajevos war zu keiner Zeit Restriktionen ausgesetzt, von Pogromen in Bosnien etwa, wie es im übrigen Europa häufiger vorkam, spricht keine der Quellen. Lediglich ein Zwischenfall ist überliefert. So wird von Moses Chavijo berichtet, ein Jude aus Travnik der zum Islam konvertierte und den Namen Derviš Ahmed annahm. Er begann die Bevölkerung seiner Stadt gegen die Juden aufzuwiegeln. Die Gemeinde klagte dagegen und 1817 wurde Derviš Ahmed dafür hingerichtet. Einige der Anhänger von Derviš Ahmed wandten sich an Ruzdi Paša, der die Gelegenheit ergriff und verhaftete 10 prominente Juden Sarajevos und verlangte für ihre Freilassung 500 000 Groschen, andernfalls würde er seine Geiseln töten. Jedoch erhoben sich 3000 muslimische Bewohner der Stadt gegen Ruzdi Paša und verlangten die sofortige Freilassung ihrer Nachbarn. Diese wurden unmittelbar entlassen.

Chajm Guski